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Adipositas

Pflege bei Adipositas

Definition
  • Adipositas, also ein krankhaftes Übergewicht, ist in der westlichen Welt die häufigste Form der Fehlernährung. Mehr als ein Viertel aller Deutschen sind adipös.
  • Zur Adipositas kommt es, wenn dauerhaft mehr Kalorien aufgenommen als verbraucht werden, also eine positive Energiebilanz vorliegt.
  • In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich um eine sog. „primäre Adipositas“. Das Übergewicht wird durch die Kombination mehrerer Faktoren ausgelöst, also etwa durch genetische Faktoren, durch Überernährung und durch Bewegungsmangel. Deutlich seltener tritt eine sog. „sekundäre Adipositas“ auf. Diese wird von einer bestimmten Grunderkrankung verursacht, wie etwa durch Hypothyreose, durch Morbus Cushing oder durch einen Gehirntumor.
  • Adipositas liegt vor, wenn ein BMI von mindestens 30 erreicht wird. Abhängig vom BMI wird der Ernährungszustand in unterschiedliche Stufen unterteilt:
    • Starkes Untergewicht < 16
    • Mäßiges Untergewicht 16 bis 17
    • Leichtes Untergewicht 17 bis 18,5
    • Normalgewicht 18,5 bis 25
    • Präadipositas 25 bis 30
    • Adipositas Grad I 30 bis 35
    • Adipositas Grad II 35 bis 40
    • Adipositas Grad III > 40
  • Falls Adipositas, Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes gemeinsam auftreten, handelt es sich um ein metabolisches Syndrom oder auch „tödliches Quartett“. Da sich diese Faktoren gegenseitig verstärken, erhöht sich das Risiko für einen Herzinfarkt um das Vierfache.

Viele Menschen mit Übergewicht sind frustriert, haben ein negatives Selbstwertgefühl oder langweilen sich häufig. Diese negativen Empfindungen führen dann zur Nahrungsaufnahme, obwohl eigentlich kein Hungergefühl besteht. Es folgt nach dem Essen ein schlechtes Gewissen und noch mehr Frust. Der Mensch gerät in einen „Teufelskreis.

Grundsätze
  • Adipositas ist wesentlich mehr als ein ästhetisches Problem, es handelt sich dabei um eine behandlungsbedürftige Erkrankung.
  • Jeder Bewohner hat das Recht, sein Essverhalten eigenverantwortlich zu gestalten. Wir werden niemals einem Bewohner Essen vorenthalten, auch wenn dieses zu seinem Besten wäre.
  • Viele Senioren bringen nicht mehr die notwendige Motivation auf, um massiv Körpermasse abzubauen. Ohne eine ausreichende Krankheitseinsicht ist jede Therapie allerdings zwecklos. Wir müssen dann akzeptieren, dass unsere Möglichkeiten begrenzt sind.
  • Maßgeblich bei der Beratung darf nicht das Schlankheitsideal der Pflegekraft sein, sondern das individuelle Wohlfühlgewicht des Bewohners. Dieses kann durchaus oberhalb des Idealgewichts liegen. Erst ab einem BMI von über 30 ist eine Intervention erforderlich.
  • Radikaldiäten sind mit einer professionellen Pflege unvereinbar.
  • Adipositas wird zwar in den meisten, nicht aber in allen Fällen durch individuelle Fehlernährung ausgelöst. Daher müssen stets weitere Krankheiten (etwa Schilddrüsenunterfunktion) ausgeschlossen werden.
  • Häufig sind schwerwiegende psychische Gründe die Ursache für Übergewicht. In diesem Fall regen wir eine Überweisung zu einem psychiatrischen Facharzt an.
  • Eine deutliche Gewichtsreduktion bedeutet immer auch enorme Belastungen für den Körper.
  • Eine Steigerung der körperlichen Aktivität ist i.d.R. keine alleinige Lösung. Die Vielzahl körperlicher Einschränkungen setzt Grenzen bei der Ausübung von Sport.
Ziele
  • Das Gewicht wird dauerhaft gesenkt.
  • Komplikationen werden vermieden.
  • Der Bewohner ist über die Risiken informiert.
  • Der Bewohner weiß, wie er sich gesund ernähren kann.
  • Der Bewohner hält sich an seine Diätvorschriften.
  • Der Bewohner entwickelt Kontrollstrategien, um sein Essverhalten zu korrigieren.
  • Die individuellen psychischen Auslöser für die gesteigerte Nahrungsaufnahme sind bekannt.
  • Der Bewohner entwickelt alternative Bewältigungsstrategien, um mit emotionalen Problemen umzugehen.
  • Der Bewohner bewegt sich ausreichend.
Vorbereitung
Ursachenforschung
  • Wir prüfen, welche Ursachen für das Übergewicht relevant sind:
    • Überernährung, also der Konsum von zu vielen Kalorien
    • Nebenwirkungen von Medikamenten
    • hormonelle Störungen, etwa eine Unterfunktion der Schilddrüse oder eine Fehlregulation der Hypophyse
    • mangelnde Bewegung
    • genetische Faktoren
  • Sofern als Hauptfaktor die falsche Ernährung angenommen werden kann, prüfen wir die Ursachen dafür:
    • Unkenntnis über die Zusammenhänge
    • fehlerhaft erlerntes Essverhalten
    • psychische Faktoren („Frustfressen“ oder „Kummerspeck“ als Reaktion auf belastende soziale Konflikte)
    • gestörtes Appetitempfinden
  • Insbesondere prüfen wir die Ernährungsgewohnheiten des Bewohners:
    • Seit wann leidet der Bewohner unter dem Übergewicht?
    • Was isst der Bewohner besonders gern und in großen Mengen?
    • Wie verteilt der Bewohner seine Speisen über den Tag?
    • Beschäftigt sich der Bewohner während des Essens mit anderen Aktivitäten?
    • In welchem Beruf hat der Bewohner gearbeitet? Hatte er dabei viel Bewegung oder handelte es sich um eine primär sitzende Tätigkeit?
    • Wie verteilt der Bewohner seine Speisen über den Tag?
    • Beschäftigt sich der Bewohner während des Essens mit anderen Aktivitäten?
    • In welchem Beruf hat der Bewohner gearbeitet? Hatte er dabei viel Bewegung oder handelte es sich um eine primär sitzende Tätigkeit?

weitere Maßnahmen
  • Die korrekte Berechnung des BMI (Body-Mass-Index) wird regelmäßig im Team geübt.
  • Wir stellen sicher, dass Betten und Stühle  für übergewichtige Menschen geeignet sind.
Durchführung

Wiegen des Bewohners

  • Bei allen Bewohnern berechnen wir monatlich den Body-Mass-Index. Bei gesundheitlichen Veränderungen sowie bei sichtbaren Gewichtsschwankungen wird diese Berechnung in kürzeren Zyklen durchgeführt.
  • Damit die Messung hinreichend genau ist, müssen verschiedene Kriterien erfüllt sein:
    • Der Bewohner wird stets zur gleichen Zeit gewogen, also etwa immer morgens vor dem Frühstück.
    • Der Bewohner wird immer auf der gleichen Waage gewogen.
    • Das Gewicht der Kleidung sollte nicht unnötig variieren..
  • Alle Informationen werden sorgfältig dokumentiert.
  • Aus den gewonnenen Daten wird der Body Mass Index (BMI) ermittelt.

Informationssammlung

Wir stellen zusammen, welche gesundheitlichen Probleme bereits bestehen und wie sich diese im Laufe der Monate entwickeln. Etwa:

  • Skelettveränderungen, insbesondere Abnutzungserscheinungen
  • Überbelastung von Sehnen und Bändern
  • Osteoporose
  • Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Dyspnoe (subjektive Atemnot)
  • Husten
  • koronare Herzkrankheit (KHK)
  • permanente Gesichtsrötung
  • gesteigerte Schweißsekretion
  • allgemeine Kraftlosigkeit
  • Obstipation
  • Diabetes mellitus
  • Intertrigo
  • Pilzinfektionen der Haut

Beratung des Bewohners

  • Wir informieren den Bewohner über sein Krankheitsbild und versetzen ihn in die Lage, die entstehenden Risiken selbstständig abzuschätzen.
  • Wir empfehlen dem Bewohner, ein Ernährungsprotokoll zu führen. In diesem notiert er, was er wann und warum gegessen hat. Häufig führt diese Beschäftigung mit der eigenen Ernährung bereits zu mehr Kooperationsbereitschaft.
  • Die Gewichtsreduktion ist kein kontinuierlicher Prozess, sondern verläuft mal schneller und mal stockend. Wir unterstützen den Bewohner und ermutigen ihn, wenn das Gewicht einige Tage nicht sinkt.
  • Wir prüfen, ob der Bewohner eine psychologische Behandlung benötigt, etwa wenn der überhöhte Nahrungsgenuss massive persönliche Probleme kompensieren soll.
  • Wir raten dem Bewohner, langsam zu essen und die Mahlzeit zu genießen.
  • Wir empfehlen dem Bewohner, die Nahrungszufuhr in den späten Abendstunden zugunsten des Mittagessens zu reduzieren.
  • Der Bewohner sollte Nahrung nur zu den zuvor geplanten Zeiten zu sich nehmen, also zusätzliche „Snacks“ vermeiden.
  • Wir raten dem Bewohner dringend von der eigenmächtigen Nutzung von Appetitzüglern ab.
  • Wir bitten Angehörige, auf das Mitbringen von Süßigkeiten als Geschenk zu verzichten. Stattdessen sollten sie den Senioren beim Abnehmen moralisch unterstützen.
  • Pflegekräfte bringen adipösen Bewohnern keine Süßwaren aus dem Supermarkt mit.
  • Wenn es eine hinreichende Anzahl von Betroffenen in unserer Einrichtung gibt, bieten wir regelmäßige Informationsveranstaltungen an.
  • Wir beraten insbesondere Bewohnerinnen zu der Frage, wie man sich trotz Übergewicht optisch ansprechend kleiden und schminken kann. Um übermäßiges Schwitzen und Geruchsentwicklung zu vermeiden, sollte die Kleidung luftdurchlässig sein, aus Baumwolle bestehen und täglich gewechselt werden.
  • Wir prüfen, ob Langeweile Auslöser für die Überernährung sein kann. In diesem Fall empfehlen wir dem Bewohner, verstärkt die Freizeitangebote in unserer Einrichtung zu nutzen.

begleitende Maßnahmen

  • Stark Übergewichtige werden einem Arzt vorgestellt werden, um etwaige Herz- oder Lungenschädigungen festzustellen.
  • Gemeinsam mit dem Arzt prüfen wir, ob der Bewohner begleitend Medikamente erhalten sollte. Appetitzügler senken das Hungergefühl. Andere Wirkstoffe reduzieren die Fettaufnahme. Wir wägen die Vorteile mit den Risiken ab, insbesondere mit dem Abhängigkeitspotenzial sowie mit der schnelleren Gewichtszunahme nach Therapieende.
  • Wir ermuntern den Bewohner, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten körperlich stärker zu bewegen.
  • Im Zimmer des Bewohners sollten keine Lebensmittel liegen, insbesondere Süßwaren.
  • Der Bewohner sollte beim Essen alle Ablenkungen meiden, wie etwa fernsehen, lesen usw.
  • Wir suchen den Dialog mit dem Bewohner und bieten ihm psychische Hilfe an. Viele adipöse Senioren leiden unter seelischen Beeinträchtigungen:
    • soziale Vereinsamung
    • Ängste
    • Depressionen
    • Zwangsstörungen
    • Minderwertigkeitsgefühle

pflegerische und medizinische Maßnahmen

  • Beim Waschen des Bewohners achtet die Pflegekraft genau darauf, dass sie eine milde Seife nutzt.
  • Beim Transfer eines adipösen Bewohners ist ein Lifter zu nutzen, wenn der Pflegebedürftige passiv bleibt und den Bewegungsablauf nicht aktiv unterstützen kann. Alternativ assistiert eine zweite Pflegekraft.
  • In der Nacht sollte das Kopfende des Bettes etwas erhöht werden. Das Gewicht des Bauches belastet dann weniger die Lungen. Die Nachtwache sollte auf Atempausen und auf lautes Schnarchen achten, da es dann zu einer Hypoxie (Mangelversorgung mit Sauerstoff) kommen kann.
  • Wir sorgen für eine regelmäßige Kontrolle der Blutwerte, insbesondere Blutfette und Blutzucker.
  • Wir setzen alle notwendigen Prophylaxestandards sorgfältig um, etwa:
    • Dekubitusprophylaxe
    • Intertrigoprophylaxe
    • Obstipationsprophylaxe
Nachbereitung

Alle relevanten Ergebnisse und Beobachtungen werden sorgfältig dokumentiert. Etwa:

  • Körpergewicht
  • Essverhalten
  • Vitaldaten
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